Stadtgeschichte

Die Landschaft und der Gang der geschichtlichen Ereignisse haben die Entwicklung Münsingens geprägt. Funde aus der Steinzeit beweisen, dass die Alb bereits sehr früh besiedelt war.

Während der römischen Herrschaft in Südwestdeutschland lag der Münsinger Raum an der Grenze zweier Provinzen, die durch den sogenannten ‚Alblimes‘, einer durch Kastelle gesicherten Straße, getrennt waren. Entscheidend für die weitere Entwicklung war die Besiedlung durch die Alemannen im 3. Jahrhundert nach Chr., die nach einer Zeit der Landnahme zu festen Siedlungsformen übergingen. Auch Münsingen geht, wie archäologische Funde belegen, auf eine alemannische Gründung zurück. Über die frühe Besiedlung läßt sich kaum etwas sagen. Erst zur Zeit der Unterwerfung Alemanniens durch die Franken gewinnt der Ort an Gestalt. Dem Schenkungsverzeichnis des Klosters Lorsch an der Bergstraße ist es zu verdanken, daß sich vergleichsweise frühe urkundliche Nachrichten erhalten haben. Um 770 wird das ‚Münsinger Gebiet‘, 809 das ‚Dorf‘ (lat.: villa) Münsingen erwähnt. Wichtig ist vor allem, daß sich nach dem Ort eine ‚Huntare‘ nennt, die eine sehr frühe Besiedlung und herrschaftliche Durchdringung des Raums belegt. Dies zeigt ebenso wie die 804 erstmals genannte Martinskirche, daß es sich bei Münsingen um einen Mittelpunktsort fränkischer Herrschaft auf der Alb gehandelt hat.
In den folgenden Jahrhunderten fließen die Quellen äußerst spärlich. Es spricht vieles dafür, daß Münsingen im Herrschaftsbereich der hochadeligen Grafen von Achalm-Urach lag. Durch ihre Verwandtschaft mit dem Zähringerhaus wurden die Grafen im 13. Jahrhundert in die Auseinandersetzungen um das Erbe dieses Geschlechts im Breisgau verwickelt. Die Besitzungen auf der Alb und im Ermstal wurden wohl in der Folge davon aufgegeben. 1263 urkundet erstmals der neue Stadtherr in Münsingen, Graf Ulrich I. von Württemberg.
Die Grafschaft Württemberg, seit 1495 Herzogtum, bestimmte fortan die Geschicke des Orts. Am Beginn des 14. Jahrhunderts machten die Grafen aus dem alten Dorf eine Stadt mit allen rechtlichen Privilegien. Die Auseinandersetzungen dieser Zeit zwischen den Württembergern und der Reichsgewalt, besonders mit der habsburgischen Landesherrschaft an der Donau, sprechen dafür, daß Münsingen ein Stützpunkt für Verwaltung, Militär und Wirtschaft in dem bedrohten Grenzgebiet der Grafschaft werden sollte. Vom Jahr 1339 stammt eine Urkunde, die erstmals die Stadtqualität Münsingens sicher belegt. Als Organ der gemeindlichen Selbstverwaltung tritt das Gericht in Erscheinung. Die Stadt führt zu dieser Zeit bereits das heute noch gebräuchliche Wappenbild einer liegenden, vierendigen Hirschstange.
Im 14. und 15. Jahrhundert ging es trotz der Rückschläge, verursacht durch Kriege und Seuchenumzüge, mit dem Landstädtchen voran. Davon zeugen heute noch einige Bauwerke: 1483/85 wurde das ‘Alte Schloß’ im herrschaftlichen Bereich der Stadt errichtet. Älter ist das steinerne Erdgeschoß des benachbarten Gebäudes, die heutige Außenstelle des Landratsamts. Vielleicht steht dessen Errichtung in Zusammenhang mit der Anlage der Stadtmauer des 14.-15. Jahrhunderts, die an einigen Stellen, etwa auf dem Bühl, in der Hauptstraße und beim Bürgerhaus Zehntscheuer noch sichtbar ist. Für das Ende des 14. Jahrhunderts kann man erstmals Einwohnerzahlen abschätzen. Mit etwa 600 Bewohnern hatte die Stadt damals einen Höchststand erreicht. Münsingen war damals so groß wie die kleinste der schwäbischen Reichsstädte, Buchhorn am Bodensee.

1482 fand das bedeutendste Ereignis der mittelalterlichen Geschichte Münsingens statt. Nach 40 Jahren der Teilung vereinigten die Grafen Eberhard V. (der Ältere) und Eberhard VI. (der Jüngere) in Münsingen den Uracher und Stuttgarter Landesteil. Dies geschah mit Hilfe und unter Beteiligung des Landes, das heißt der Vertreter von Adel, Kirche sowie der Städte und Ämter Württembergs. Dieser nach dem Tagungsort benannte ‚Münsinger Vertrag‘ vom 14. Dezember 1482 war nicht nur ein Markstein der territorialen Entwicklung des Landes, sondern auch ein wichtiges Dokument früher ständischer Mitsprache. In diese Zeit fällt auch der Bau des Chors der Martinskirche, der von Peter von Koblenz um 1495-1497/8 errichtet wurde. Die prachtvolle Steinmetzarbeit zeugt von der Ausstrahlungskraft der Bauhütte, die sich an der Residenz des Grafen Eberhard in Urach etabliert hatte.
Ein gewaltiger Einschnitt bedeutete auch für Münsingen der Dreißigjährige Krieg. Nach der Niederlage der evangelischen Fürsten bei Nördlingen 1634 wurde die Stadt mehrmals von Plünderungen und durchziehenden Truppen heimgesucht. Die Einwohnerzahlen sanken auf einen Tiefpunkt und erst nach und nach konnte sich nach dem Friedensschluß von 1648 das Leben wieder entwickeln. Vermutlich spielten hierbei auch Einwanderer aus evangelischen Gebieten Österreichs und der Schweiz eine Rolle. Die Bezeichnung des östlichen Münsinger Altstadtviertels als ‚Tirol‘ könnte sich daraus herleiten. Wichtig war die Erhebung Münsingens zur Amtsstadt im Jahr 1654. Als Verwaltungsmittelpunkt war die Stadt nun Sitz eines ‚Kellers‘, später des Oberamtmanns. Das Stadtgericht war gleichzeitig mit den Angelegenheiten der Amtsorte betraut. Damals umfaßte das Münsinger Amt den nördlichen Teil der Schwäbischen Alb von Laichingen im Osten bis Gomadingen im Westen.
Nach den Napoleonischen Kriegen, die Württemberg die Erhebung zum Königreich und eine beträchtliche territoriale Vergrößerung brachten, wuchs diese Verwaltungsfunktion noch. Das Oberamt Münsingen wurde zu einem der flächenmäßig größten Bezirke des Landes. Ganz im Gegensatz dazu kam es zu keinem Zeitpunkt zu einer bedeutenden Entfaltung von Handel und Gewerbe. Das Handwerk und die Märkte hatten lediglich regionale Bedeutung für die Orte auf der Alb. Innerhalb der Münsinger Amtsorte kam es zu manchen Misshelligkeiten zwischen dem reicheren und wirtschaftlich bedeutenderen Textilstandort Laichingen und der Amtsstadt, die mit etwa 2000 Einwohnern um 1900 deutlich hinter der ungleichen Schwester zurückblieb.
Jedoch brachte gerade die Jahrhundertwende mit der Bau der Eisenbahn Reutlingen-Münsingen 1893, der Anlage des Truppenübungsplatzes auf dem Münsinger Hart 1895 und der Gründung eines Zementwerksunternehmens am Hungerberg 1897/98 einen klaren Aufwärtstrend. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg erlahmte die Entwicklung aber wieder.
Der Truppenübungsplatz mit dem Alten Lager und dem während des Krieges zwischen Auingen und Münsingen errichteten Neuen Lager (1965-2002 Herzog-Albrecht-Kaserne) behielt jedoch seine Bedeutung für die Region. Die Erweiterung des Platzes 1938 bis 1939 brachte einen tiefen Einschnitt in das Leben der umliegenden Orte. Die Gemarkung des Dorfs Gruorn wurde komplett in den Übungsplatz einbezogen, die Bewohner mußten ihre Heimat verlassen. Auch die heutigen Münsinger Stadtteile Trailfingen und Böttingen verloren große Markungsteile.
Die Machtergreifung der NSDAP im Januar 1933 war in Münsingen wie überall ein Wendepunkt. Zwar verbesserte sich die wirtschaftliche Situation des Gewerbes und der Landkreis Münsingen erhielt durch die Verwaltungsreform von 1938 einen bedeutenden Gebietszuwachs. Aus nationalsozialistischer Zeit stammen das (allerdings schon früher geplante) frühere Kreiskrankenhaus am Hungerberg (1933) und das Kreisverbandsgebäude, das heutige Neue Rathaus (1937). Gleichzeitig aber war die Münsinger Alb Schauplatz der schrecklichsten Verbrechen jener Zeit. Neben der Vertreibung und Deportation der jüdischen Bürger im Stadtteil Buttenhausen war dies die Ermordung behinderter Menschen in Gomadingen-Grafeneck. An beiden Stätten bemühen sich heute Initiativen um eine Bewahrung des Gedenkens an die Opfer.
Der Zweite Weltkrieg endete in Münsingen am 24. April 1945 mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen. Dabei kam es zu einem Zusammenstoß mit sich zurückziehenden deutschen Einheiten. An die Opfer des Gefechts erinnert ein Grabdenkmal auf dem Münsinger Friedhof. Münsingen wurde bereits nach wenigen Wochen der französischen Besatzungsmacht übergeben. Das damalige Kreisverbandsgebäude wurde Sitz des französischen Militärgouverneurs für den Kreis Münsingen. Der Truppenübungsplatz blieb bis 1992 unter französischer Verwaltung, erst dann übernahm – bis 2005 – die Bundeswehr das Kommando.
Nach dem Zweiten Weltkrieg teilte Münsingen nicht die rasche wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Erst in den 1970er Jahren wurde damit begonnen, Industrieansiedlungen nachdrücklich zu fördern. Wichtige Veränderungen brachte die Verwaltungsreform der Jahre 1971 bis 1975. Der Landkreis Münsingen wurde 1972 aufgelöst und kam zum größten Teil an den Kreis Reutlingen. Die Stadt Münsingen gewann andererseits durch den Zusammenschluß bzw. die Eingemeindung von Apfelstetten, Auingen, Bichishausen, Böttingen, Bremelau, Buttenhausen, Dottingen, Gundelfingen, Hundersingen, Magolsheim, Rietheim und Trailfingen zur neuen Stadt Münsingen an Einwohnern hinzu. Zu dem Verwaltungsraum Münsingen gehören die benachbarten Gemeinden Gomadingen und Mehrstetten.

Ehrgeizig sind die Ziele, die sich die frühere Kreisstadt durch die Ausweisung als Mittelzentrum für den südlichen Teil des Landkreises gesteckt hat. Zur Erfüllung der zentralörtlichen Aufgaben im Mittelbereich Münsingen werden von Stadt und Landkreis berufliche und weiterführende Schulen, das Kreiskrankenhaus sowie eine Reihe unterer Landesbehörden in der Stadt unterhalten. Auch Kirchen und soziale Einrichtungen tragen dieser Mittelpunktsfunktion Rechnung. Die Stadt ist inzwischen ein wichtiger Einkaufsmittelpunkt. Das 1982 aufgelegte Sanierungsprogramm für die historische Altstadt soll die Attraktivität des Stadtzentrums als Lebens- und Arbeitsraum erhöhen. Die beiden Gewerbezentren in Münsingen und im Stadtteil Auingen bieten wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten. Die Reform hat der Stadt angesichts der finanziellen Ausstattung der Gemeinde schwierige Aufgaben gestellt. Jedoch zeigt der Gang durch die Geschichte, daß die Vorfahren in einem von der Verkehrslage und der Natur benachteiligten Teil des Landes stets mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, die zudem unsere heutigen Probleme bei weitem übertrafen. Die neuere Entwicklung bei der Gewerbeansiedlung und die wachsende Bedeutung der reichen Kulturlandschaft der Schwäbischen Alb geben Anlaß, mit Optimismus in die Zukunft zu blicken.
Zu den großen Herausforderungen gehören die Veränderungen nach Abzug der Bundeswehr aus Münsingen. 2002 wurde die Herzog-Albrecht-Kaserne aufgegeben, an deren Stelle sich das Baugebiet ‚Parksiedlung‘ entwickelt. Seit 2005 ruht der militärische Betrieb auch auf dem Truppenübungsplatz Münsingen, der nun Ausgangspunkt für die Gestaltung eines Biosphärengebiets Schwäbische Alb wurde.
Text: Stadtarchiv Münsingen (1994, 2006)